Der Begriff der Übersetzung wird in der Regel zuerst mit dem Medium der Sprache assoziiert. Wie gehen aber Übertragungsprozesse in einem weiter gefassten Verständnis vonstatten? Wie „übersetzen“ wir zwischen Praktiken, Wertvorstellungen und Verhaltensmustern aus unterschiedlichen kulturellen Kontexten?

Und welche Rolle spielen Körper und Bewegungen dabei? Angesichts einer Gegenwart, die von Prozessen der Globalisierung geprägt ist, lassen sich kulturelle (und somit auch künstlerische) Identitäten weder durch strikte Abgrenzung noch durch nivellierende Begriffe von Homogenität und Kontinuität fassen. Um transnationale und interkulturelle Phänomene zu beschreiben, werden stattdessen dynamische Konzepte der Verflechtungen, Hybridität und Veränderlichkeit herangezogen. Folglich rücken Verfahren der Übersetzung, Übertragung und Vermittlung innerhalb und zwischen unterschiedlichen Kulturen in den Fokus der Aufmerksamkeit.

Unter dem Motto ‚Bewegungen übersetzen – Performing Translations‘ werden beim Tanzkongress 2013 künstlerische Positionen und Initiativen sowie wissenschaftliche Forschungsansätze vorgestellt, die sich mit dem Austausch zwischen unterschiedlichen Körperkonzepten, Bewegungsrepertoires und Arbeitsweisen befassen. Thematisiert wird beispielsweise die aus europäischer Perspektive überraschend erscheinende Verbindung von zeitgenössischem Tanz, Yoga und urbanem Aktivismus in einer Metropole wie Neu-Delhi oder auch die Tanzpraxis der indigenen Bevölkerung im Südpazifik, die unmittelbar mit deren Unabhängigkeitsbewegung verbunden ist. Neben solchen Beiträgen zur Wechselwirkung von künstlerischen und sozialen Bewegungen präsentiert der Kongress kritische Auseinandersetzungen mit normativen Körperbildern. Hierzu zählen etwa die im zeitgenössischen Bühnentanz westlicher Prägung unterrepräsentierten „differently abled bodies“ oder „aging bodies“, deren Wahrnehmung und Wertschätzung immer auch kulturell geprägt ist. Darüber hinaus werden am Beispiel von Produktionen, Festivals und Netzwerken die Spannungen zwischen globaler Kunstproduktion einerseits und nationaler bzw. regionaler Kulturpolitik andererseits untersucht. Welche Repräsentationen des „indischen Tanzes“ oder des „afrikanischen Tanzes“ dominieren den europäischen Markt und welchen Einfluss haben diese Vorstellungen auf die künstlerischen Produktionsbedingungen?

Die Veranstaltungen sind anhand von sieben übergeordneten Themenbereichen organisiert, die die herkömmlichen Interessen- und Arbeitsgebiete der Teilnehmer überschreiten und zur Konfrontation von heterogenen Positionen und Akteuren einladen. So unterschiedlich die thematischen Schwerpunkte ausgerichtet sind, verbindet sie doch der Anspruch, Übersetzungsleistungen zu vollbringen.

Mit seinem Profil ist der Tanzkongress ein Kongress für den Tanz, der jedoch mit einem denkbar weiten Tanzbegriff umgeht und so auch die Relevanz der Kunstform für andere Disziplinen und die Anschlussfähigkeit seiner Diskurse jenseits des Tanzes belegt.